Ein etwas anderes Unboxing

Hallo! Ja, es ist in letzter Zeit sehr still geworden…da nimmt man sich vor, jeden Monat mindestens einen Blog-Beitrag zu schreiben und dann verschwinden die Vorsätze bereits nach dem ersten Monat wieder unter dem ehernen Alltagsberg. Tja, nun war ich bis vor kurzem einige Zeit durch eine hartnäckige Mandelentzündung, die dann auch noch eine Mittelohrentzündung nach sich zog, außer Gefecht gesetzt. Zwangsläufig raus aus dem Alltag. Und heute finde ich sogar endlich mal die Zeit, ein paar Zeilen zu verfassen.

Vor nun mittlerweile 3 oder sogar 4 Wochen erhielt ich mein prall gefülltes, 6 kg schweres Paket von Ulisses Spiele mit dem Inhalt aus dem zweiten HeXXen 1733 Crowdfunding. Boah, super! So ein riesiges Paket! Da habe ich ja gar nicht mehr dran gedacht!

Unboxing - HeXXen 1733 - Crowdfunding 2

Unboxing? Nun ja, schon irgendwie. Aber eher ein Unboxing der etwas anderen Art…

Da steht es nun. Das Paket. Seit Wochen. Es steht immer noch ungeöffnet in der Ecke unter den Regalen mit den Rollenspielbüchern. Warum? Weil ich bisher keine Zeit… – naja, das stimmt nicht ganz: ich hatte bisher einfach keine Lust, es auszupacken. Es hat auch nichts mit dem Inhalt zu tun. Nicht wirklich. Klingt seltsam? Fand ich auch, als ich mir dessen bewusst wurde. Darum ist dieser Blog-Beitrag vielleicht auch etwas anders als meine bisherigen Posts. Sozusagen ein Unboxing der etwas anderen Art. Offen ist der Post auf jeden Fall.

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es wirklich jemanden interessiert, dennoch verspüre ich ein Bedürfnis dies raus zu lassen. Mein Blog befasst sich mit Hobbys, meinen Hobbys, unseren Hobbys. Und irgendwie sind diese Gedanken auch mit eben jenen Hobbys verbunden.

Woher kommt dieses Desinteresse? Fast schon diese Verweigerungshaltung das Paket zu öffnen? Meine Frau war total ratlos, als ich das Paket nach 3 Tagen immer noch nicht geöffnet hatte: „So kenne ich dich gar nicht!“. Früher machte ich an solchen Liefertagen extra früher Feierabend, um schnell nach Hause zu gelangen um alles direkt anzuschauen.

Nach mehreren Tagen des Nachdenkens und Bettruhe habe ich dazu oft das eine Wort im Sinn gehabt: Zuviel. Ja, zuviel von allem. Zuviel Stress bei der Arbeit, zuviel Alltag, zuviel neue Bücher, zuviel neue Modelle, zuviel von allem. Im Grunde also eine klassische Überlastungssituation. Derart vollgestopft mit Gedanken, derart vollgestopft mit materiellen Dingen, dass nicht mal mehr die geliebten Hobbys zu einem durchdrangen. Seltsam und zeitgleich auch etwas beängstigend.

Wo waren die Zeiten hin, als man als Jugendlicher sein Taschengeld mühsam zusammen sparte um sich einen neuen Comic, ein neues Abenteuer oder neue Warhammer Modelle zu kaufen? Jedes erworbene Buch las man mehrfach, bis die Seiten auseinander fielen. Über Wochen und Monate ergötzte man sich an den erworbenen Hobbymaterialien, füllte jede freie Minute damit aus. Man befasste sich damit, nutzte sie ausgiebig. Hatte viel Freude damit. Damaliges Problem: viel Zeit, aber wenig Geld. Darum war vieles „mehr wert“. Wertvoller.

Viele Jahre später dann das Studium, Familie, Geburt der Kinder. Durch einen guten Job hatte ich plötzlich auch „genug“ Geld für meine Hobbys – um mir jedes neu erschienene Buch sofort zu kaufen. Oder einfach mal in den Games Workshop laden gehen und 300-400 Euro dort liegen lassen? Kein Problem. Dachte ich. Denn ein Problem ist dadurch entstanden. Nun hatte man „genug“ Geld um sich noch mehr vom geliebten Hobbykram zu zulegen…dafür aber kaum noch Zeit wirklich etwas damit anzufangen. „Erste Welt Probleme“ höre ich nun einige sagen. – So mag es sein, aber im Grunde sind oder waren es meine Probleme, die vielleicht auch andere Menschen in ihrem Leben schon so spürten. Probleme, die mich unendlich unglücklich machten, verzweifeln ließen, aber was war der Sinn? Verzweiflung nicht aus Hunger, nicht aus Not. Sondern aus dem „zuviel von allem“. – Und so sammelten sich die Bücher an, ungelesen, teilweise stehen sie sogar noch original in Folie eingeschweißt im Regal. Unzählige neue Magic-Karten, original verpackt, nie angeschaut. Warhammer Codices. Warhammer Modelle. Eingeschweißt stehen sie in den Regalen, wie in einem Warenhaus. Sie stehen da und immer wenn ich daran vorbei laufe, machen sie mir ein schlechtes Gewissen: Viel Geld dafür ausgegeben, da stehen sie nun. Ungenutzt.

Wie konnte es soweit kommen, dass die Hobbys, die einem Kraft gaben und einem Freude bereiteten nun ein schlechtes Gewissen verursachten? Verkehrte Welt!

Da ich die Sache nicht einfach so hinnehmen wollte, befasste ich mich in mehreren Richtungen mit der Thematik. Ich stieß auf ein Thema „Konsumverzicht“ – ständige Verfügbarkeit, ständiger Konsum, ständiges Kaufen, etc. Wohl auch eine „Krankheit“ unserer modernen Wohlstandsgesellschaft. Weiter gingen die Recherchen – viele Berichte gelesen, viele Videos geschaut. Konsumverzicht klang für mich schon ganz einleuchtend. Dann aber kam ich auf etwas, das damit zwar irgendwie in Zusammenhang steht aber noch viel weiter geht: „Minimalismus“.

Ich hatte da vor Jahren schon mal was davon gehört. Dachte mir aber: „Ach eine leere, sterile Wohnung…naja, wer es mag…mit Kindern eh nicht möglich.“ oder „warum sollte ich mich derart beschränken, dass mein gesamtes Hab & Gut in einen einzigen Koffer passt?“. Ja, ich war wohl voreingenommen, denn je mehr ich mich damit befasste, desto mehr Sinn ergab es für mich. Denn im Grunde gibt es nicht den einen wahren „Minimalismus“ – es ist eher eine Art Einstellung, ein Leitbild der Gedanken. Für jeden kann es in seiner Ausprägung komplett anders aussehen, basiert im Grund aber immer auf drei Grundfragen:

  • Do you use it? / Verwendest du es?
  • Does it add value to your life? / Bereichert es dein Leben?
  • Is it easy to replace? / Ist es einfach zu ersetzen?

Tja, mit diesen drei Grundfragen haben wir – also die ganze Familie – uns einige Dinge mal genauer angeschaut. Und wir haben einiges ausgemistet. Vieles gespendet, verkauft, verschenkt oder auch auf den Müll geworfen. Keine Sorge! Die Hobbymaterialien waren (noch) nicht davon betroffen. Wir bearbeiteten die Küche, Keller, Kleiderschränke, Spielzeug, etc.

Mit jedem Decluttering-Schritt fühlte ich mich besser. Über 90 Shirts im Schrank? Wozu? Hosen, in welche der leider vorhandene Bierbauch mal passte, im Schrank aufbewahren? Wozu? Für ein schlechtes Gewissen? 50 Kaffeetassen? 70 Paar Socken?!? Weg damit!

Es befreite ungemein. Einfach weniger. Weniger Zeug. Weniger Gedanken. Und langsam kamen die Interessen zurück.

Ich bin so froh, dass ich gestern die Regionalspielhilfe zur Siebenwindküste gelesen habe. Ein Buch, das seit so langer Zeit nur einmal durchgeblättert im Regal stand! Wieder etwas Spaß an den Hobbymaterialien – dadurch dass einfach um mich herum weniger Zeug war. Und die Reise wird weitergehen. Wir haben auch viele Rollenspielsysteme, die wir nur einmal anspielten oder noch gar nicht angefasst haben – vermutlich werden auch diese gehen. Die Reise wird weitergehen. Jeder Schritt bisher fühlte sich gut an.

Dieser Post soll nicht negativ sein oder pessimistisch. Er soll offen sein. Ich liebe nach wie vor Aventurien, Rollenspiele, Miniaturen, etc. – doch ich musste diese Liebe neu entdecken; indem ich mir bewusst wurde, dass wie so oft „weniger einfach mehr ist“. Ich werde bestimmt nicht weniger DSA5-Zeug kaufen –  aber hoffentlich bewusster.

Was denkt ihr dazu? Habt ihr auch unzählige unbemalte Miniaturen im Schrank? Warten auf euch auch viele ungelesene Bücher?

Euer etwas nachdenklicherer

Fethz

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3 Gedanken zu „Ein etwas anderes Unboxing

  1. Hallo!
    Danke für diesen interessanten Artikel!
    Ein bekanntes Phänomen in unserer Generation.
    Genauso wie Du schreibst: früher war alles selten und rar, kein eigenes Geld und deswegen so wertvoll. Als Familienväter mit gutem Einkommen, die ihr Hobby von damals irgendwie in diese Phase hinübergerettet haben (vielleicht auch einfach mit den eigenen Kindern wiederentdeckt), sind wir natürlich schon auch eindeutige Zielgruppe von Firmen wie Lego, Ulisses etc. also macht es auch Sinn, dass diese Firmen Leute wie uns als Finanzierer durch diverse Angebote versuchen zu binden. Und ich finde das auch voll in Ordnung, dass ich z.B. Ulisses dabei unterstützen kann, damit sie ihre Projekte verwirklichen, weil ich es prinzipiell gut finde und möchte, dass dieses Hobby für viele andere weiterlebt.
    Der Knackpunkt hierbei ist so wie Du schreibst die Auswahl! Nur weil wir uns nun ganz viel leisten können, ist das kein Grund, es auch zu tun. Deine 3 Leitsätze des Minimalismus finde ich super! Ich bin der Überzeugung, nur wer sich bewusst entscheidet, wofür er sein Geld (und viel viel wichtiger: seine Zeit und seine Aufmerksamkeit) verwenden möchte, nur der kann langfristig ein ausgewogenes Leben führen. Und natürlich bedeutet eine Entscheidung für etwas, dass man sich dabei gleichzeitig _gegen_ 100 andere Dinge entscheidet.
    Ich habe diesen Prozess auch durchgemacht und finde es super, dass Du das in dein Blog schreibst. Und ganz zum Schluss noch ein großes Lob für deine Beiträge im Scriptorium!
    LG LP

    • Danke für deine Ergänzungen und dein Lob zu diesem Beitrag (und Scriptorium). Gerade ein solches Thema ist nicht immer einfach so offen rüber zu bringen – zumindest war es das für mich nicht. Als Sammler mit ausgeprägtem Spieltrieb ist es manchmal echt schwer sich bei den ganzen tollen Dingen zurück zu halten. Auch Lego hast du angesprochen… Wenn man mit seinen Kids vorm Regal steht und sich zurück halten muss um nicht das Regal leer zu kaufen. Aber man hat ja eben auch eine Vorbildfunktion. Dies sehe ich immer wieder als persönliche große Herausforderung. Den Kindern beizubringen, dass man sich auch was leisten darf, das einen erfreut, sorgsam damit umgeht (meine Bücher sind mir heilig), aber sich dennoch nicht blindlings in den Konsum stürzt. Mir gelingt das leider nicht immer. Ich mach z. B. auch zu gern an Ulisses Crowdfundings mit. Eine Hoffnung bleibt mir: bei all den noch nagelneuen unbespielten Materialien freut sich vielleicht irgendwann eins der Kinder drüber… Oder Enkel, wenn sie die Schätze in einigen Jahrzehnten entdecken. 🤣

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